Trauung für alle: «Auf Verurteilungen verzichten»

Mittwoch, 12. Mai 2021

Theologen der reformierten Landeskirche und Leiter von EGW, jahu und Vineyard Bern haben in einem Papier festgehalten, wie sie im Streit um die Ehe und die «kirchliche Trauung für alle» ihre Gemeinschaft bewahren wollen. 

Die Uneinigkeit in der Frage der kirchlichen Trauung gleichgeschlechtlicher Paare soll die Reformierten nicht auseinandertreiben. Trotz Uneinigkeit wollen beide Seiten an ihrem 2013 feierlich beschlossenen vertrauensvollen Miteinander festhalten und «Möglichkeiten der Verständigung» suchen, dies im Willen, «beieinander zu bleiben und, in der Bitte um den Heiligen Geist, ein geschwisterliches Miteinander zu leben». Die Einstellung zu Ehe und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften dürfe nicht trennen.

«Was uns eint»

Das Papier hat wie die Erklärung von 2013 drei Teile: Zuerst wird festgehalten, was beide Seiten eint; dann werden Differenzen benannt und Selbstverpflichtungen formuliert. Im ersten, längsten Teil werden – bei Einigkeit über die Bibel als oberste Instanz des Glaubens – gründlich verschiedene Zugänge zur Bibel und ihrer Verbindlichkeit für heute beschrieben.

Einig sind die Autoren darin, «dass Gottes Liebe allen Menschen gilt». Jegliche staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung homosexuell empfindender Menschen wird abgelehnt. Homosexuelle Menschen haben «einen Platz in der Gemeinschaft der Glaubenden». Einigkeit besteht auch zur Gewissensfreiheit von Pfarrerinnen und Pfarrern: «Niemand soll eine Trauung durchführen müssen, wenn dies mit dem eigenen Bibelverständnis oder der eigenen Glaubensüberzeugung nicht vereinbart werden kann.»

Angesichts des Wertewandels in der Gesellschaft soll «das Gespräch über die Stellung homosexueller Liebe in der Kirche und in den Gemeinschaften behutsam und rücksichtsvoll» geführt werden. Die Gemeinschaften räumen ein, dass auch bei ihnen homosexuell empfindende Menschen «einen Ort suchen, wo sie ihren Glauben an Jesus Christus mit anderen zusammen leben und feiern können».

In der Bibel kein Ja

Im zweiten Teil wird knapp festgehalten: «Wir sind uns uneinig in der Frage, wie das biblische Zeugnis im Blick auf eine gleichgeschlechtliche Ehe zu bewerten ist.» Dass homosexuelle Praxis in der Bibel (wenige Stellen) durchwegs negativ bewertet wird, wird von keiner Seite bestritten. Doch werden diese Stellen unterschiedlich auf das biblische «Gesamtzeugnis von der Liebe Gottes» bezogen und zentrale Begriffe verschieden ausgelegt.

Zudem heisst es im Papier, dass die Landeskirche – obwohl noch kein Synodebeschluss vorliegt – sich «für eine Öffnung der Trauung auch für gleichgeschlechtliche Paare ausspricht». Die Gemeinschaften lehnen dies und auch Segensfeiern ab; sie befürworten indes eine zivilrechtliche Form der Partnerschaft.

«Noch aufmerksamer auf Gottes Wort hören»

Im dritten Teil bekräftigen die beiden Seiten ihren Willen zum weiteren respektvollen Miteinander. Schwierigkeiten wollen sie «als Ansporn zum noch aufmerksameren Hören auf Gottes Wort und zum noch besseren gegenseitigen Verstehen nehmen». Auf Verurteilungen wollen sie verzichten, Polarisierungen vermeiden und in Regionen und Gemeinden Gespräche fördern. Diese sollen «möglichst unter Einbezug von gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen» geführt werden.

Das Berner Positionspapier «Kirchliche Trauung für alle?

Zum Gespräch zwischen Landeskirche und evangelischen Gemeinschaften»